Zeitzeugin Marianne Wilke im Dialog mit Schulklassen aus JG 10 der STS Stellingen
Am 8. Dezember 2021 besuchte die 92jährige Zeitzeugin Marianne Wilke aus Wedel unsere Schule, um mit unseren Schülern und Schülerinnen aus den 10ten Klassen in den Dialog zu kommen.
In Klasse 10 werden im Fach Gesellschaft die Themen Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Kalter Krieg unterrichtet. Gespannt warteten unsere Klassen auf der Tribüne unserer neuen Mediathek auf Frau Wilke.
Schon mit wenigen Worten hatte Frau Wilke ihre schulische Zuhörerschaft in den Bann gezogen, sie berichtete auf authentische und empathische Weise aus ihrer Zeit als Kind, in der die Nationalsozialisten die Macht ergriffen und zusehends die Rechte der jüdischen Bevölkerung in Hamburg, wo sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder aufwuchs, einschränkten. Sie selbst galt als Halbjüdin, da ihr Vater jüdisch war und ihre Mutter, eine Christin, Anfang der 20er Jahre heiratete. Im Laufe der 30er Jahre fragten sich ihr Vater und seine Geschwister, ob es wohl noch schlimmer kommen könnte. Infolge war es zumindest seinem Bruder und dessen Frau möglich, nach England auszuwandern.
Auch in der Schule sollten nach nationalsozialistischem Gesetz keine jüdischen Kinder mehr unterrichtet werden, Marianne Wilke jedoch besuchte noch bis zum Jahr 1943 die Schule, weil ihre Lehrerin sie an keiner Stelle als Halbjüdin angab. Aber nicht nur ihre Lehrerin zeigte hier mutig Zivilcourage, denn als Marianne Wilke die Aufforderung erhielt, die Schule zu verlassen und sich in einer Fischfabrik in Eidelstedt zu melden, sorgte ihre Lehrerin dafür, dass sie eine Anstellung im Haushalt erhielt und so die Kriegsjahre über nicht deportiert wurde.
Leider wurden die Großeltern von Marianne Wilke in das KZ Riga deportiert, von denen ihre Familie nie mehr hörte. Selbst ihr Vater wurde noch Anfang 1945 in das KZ Theresienstadt deportiert, überlebte es aber mit großem Glück.
Marianne Wilke engagiert sich seit vielen Jahrzehnten für der Erinnerungskultur Deutschlands und Zivilcourage den Menschen gegenüber, die aufgrund von Religion, Hautfarbe, Herkunft etc. stigmatisiert werden, um dem heutigen und künftigen Unrecht entgegen zu wirken. Eindringlich zitierte sie zum Ende ihres Besuches den Refrain des Songs „Die Schuld“ von den Ärzten „Es ist nicht Deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur Deine Schuld, wenn sie so bleibt!“ und forderte zu Zivilcourage auf.“
Wir danken Frau Wilke herzlichst für Ihre Zeit, in der sie unserer Schülerschaft nicht von ihrem Leben berichtete, sondern dieser auch Frage und Antwort stand, um diesen zu vermitteln, wie Demokratie gelebt und geschützt werden sollte